GRÜNE Podiums-Diskussion: ICE-Neubaustrecke hat viele Nachteile

Am 12. November 2020 fanden sich mehr als 90 Teilnehmer im Online-Konferenzraum der GRÜNEN Minden-Lübbecke ein, um an der Podiums-Diskussion über die geplante ICE-Neubaustrecke durch Ostwestfalen-Lippe und Schaumburg teilzunehmen. Melanie Hövert, Kreistagsmitglied der GRÜNEN, begrüßte als Moderatorin alle Anwesenden und bat den Sprecher der Lokalen Agendagruppe ,,Biodiversität” Holger Hansing als ersten Referenten, etwas über die Auswirkungen einer Neubaustrecke auf die Landschaft rund um die Porta Westfalica zu berichten. Hansing verdeutlichte, dass der von einem unabhängigen Bahningenieur vermutete Trassenverlauf sowohl die Trinkwasserversorgung der Region als auch die Natur- und Landschaftsschutzgebiete der Stadt infrage stellen würde, sodass massive ökologische Probleme entstehen würden.

Als zweiter Referent stellte der Vorsitzende der Bürgerinitiative gegen den trassenfernen Ausbau der Bahn (BIGTAB) Thomas Rippke klar, dass sich die BIGTAB für die Verbesserung der Bahninfrastruktur im Sinne des Deutschlandtaktes ausspricht, aber nach Abwägung aller Argumente nur auf der vorliegenden Trasse. Rippke verdeutlichte, dass es eine enge Zusammenarbeit aller Bürgerinitiativen in der Region gebe, die alle dasselbe Ziel verfolgen: Keine ICE-Neubautrasse mit den Folgen Landschaftszerstörungen, Lärmbelastungen, Grundstücksenteignungen und Steuergeldverschwendungen. Die BIGTAB ist besorgt darüber, dass vom Bundesverkehrsministerium die Deutsche Bahn AG selbst beauftragt werden könnte für ihre selbst geplante Neubautrasse eine Bürgerbeteiligung durchzuführen. Rippke erwartet ein unabhängiges Gutachterbüro für diese Aufgabe und er betonte, dass es neben den verschiedenen Neubautrassen auch eine Variante für den Ausbau der vorhandenen Trasse geben muss, damit die Bürgerbeteiligung überhaupt einen Sinn mache.

Anschließend erläuterte der Bielefelder Verkehrsingenieur Stephan Schröder, weshalb der Ausbau der vorhandenen Bahnstrecken verkehrstechnisch und ökonomisch viel zielführender wäre. Es müssten lediglich 2 Milliarden (statt Minimum 4 Mrd. für eine Neubaustrecke) für den Ausbau und die Modernisierung der vorhandenen Strecken zwischen Bielefeld und Hannover investiert werden. Dadurch würde dann der überlastete zweigleisige Schienenweg zwischen Minden und Seelze auf 4 Gleise ausgebaut und insgesamt modernisiert, was angesichts z.B. veralteter Stellwerke (das älteste in der Region datiert aus dem Jahr 1904) nötig sei.

Hier stimmte ihm der ebenfalls teilnehmende Oliver Krischer, stellvertretender  Fraktionsvorsitzender der GRÜNEN im Bundestag zu, da es ihm als Mitglied im Verkehrs-Ausschusses des Bundestages darum gehe, dass mithilfe von schnell realisierbaren Maßnahmen das verkehrspolitische Ziel einer Fahrgastzahlverdoppelung bis 2030 erreicht werde. Dabei sei es kein Ziel der GRÜNEN die Region um die Stadt Minden durch eine ICE-Neubautrasse abzuhängen, nur weil es sich um ein Prestigeobjekt des Bundesverkehrsministeriums handelt. Vielmehr habe er bewusst gegen das im Frühjahr 2020 mit den Stimmen der Großen Koalition beschlossene Gesetz zur Vorbereitung der Schaffung von Baurecht durch Maßnahmengesetz im Verkehrsbereich (MgvG) gestimmt, da dieses massiv die Bürgerrechte einschränke.

In diesem Punkt stimmte ihm der Jurist Dr.  Manuel Brunner, Rechtsanwalt mit den Schwerpunkten Umweltrecht und Verfassungsrecht zu, da das MgvG dazu führt, dass nach einer anfänglichen Bürgerbeteiligung der Bundestag über den Trassenverlauf abstimmt und diese Trasse dann per Gesetz festgelegt ist, also bindend genauso gebaut werden muss. Das bedeutet für die Grundstücksbesitzer auf der Strecke, dass sie zwar vorm Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde anstrengen können, diese aber vermutlich erfolglos bleiben wird, da ein Einzelkläger gegen ein riesiges Infrastrukturvorhaben steht. Außerdem habe die gesetzlich festgelegte Trasse eine enteignende Vorwirkung, sodass trotz des laufenden Gerichtsverfahrens bei Nichtverkauf die Enteignung zum Marktwert eingeleitet wird.

Melanie Hövert wies darauf hin, dass durch eine trassenferne Neubaustrecke Minden vom ICE-Halt abgekoppelt würde. Dies hätte erhebliche Nachteile sowohl für die Wirtschaft als auch für die Menschen der Region.

Die Fragen der Zuschauer der Online-Podiumsdiskussion spiegelten diese Angst vor einer drohenden Enteignung des eigenen, gerade renovierten Eigenheims wieder, da sie nach dem genauen Trassenverlauf fragten. Es meldete sich auch die Bundesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) Kerstin Haarmann zu Wort und betonte, dass ihr Verband die Verkehrswende so umweltschonend und bürgerfreundlich wie möglich erreichen möchte.

Nach zweieinhalb Stunden waren sich alle Fachleute einig, dass die Verbesserung der Bahnverbindung sehr wichtig ist, aber aus ökologischen und ökonomischen Gründen nur der Ausbau der vorhandenen Bahntrasse zwischen Bielefeld und Hannover über Minden sinnvoll ist.

Hier gehts zur Powerpointpräsentation der Veranstaltung:

Präsentation

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