Menschen jüdischen Glaubens sind schon seit Jahrhunderten Teil des Mühlenkreises. Bereits aus dem frühen Mittelalter gibt es Überlieferungen von jüdischen Glaubensgemeinschaften in Minden-Lübbecke. Die Gedenkstätte der Alten Synagoge Petershagen ist ein Relikt der kleinen jüdischen Landgemeinde mit Gotteshaus, Schule und Mikwe.
Benjamin Rauer, unser Landtagskandidat für den Wahlkreis Minden-Lübbecke I, war zu Gast bei der Arbeitsgemeinschaft Alte Synagoge Petershagen e.V. Dort sprach er mit Marianne Schmitz-Neuland und Wolfgang Battermann über die Arbeit des Vereines und seinen persönlichen Bezug zur christlich-jüdischen Zusammenarbeit.
Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, die lange Geschichte jüdischen Lebens in Petershagen möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. Sie erhalten mit ihrem Engagement nicht nur die Alte Synagoge selbst, sondern auch die angegliederte ehemalige jüdische Schule. Vor Ort ermöglichen die Ehrenamtlichen, dass Bürgerinnen und Bürger sowie Schulklassen selbst entdecken, wie Jüdinnen und Juden vor der Shoah lebten. Der Weg zu einer Stätte, an der sowohl Geschichte erklärt wird als auch das Erinnern und Gedenken gestaltet wird, war nicht immer leicht, aber zum Glück erfolgreich.
Im Gespräch beschreibt Benjamin Rauer, wie er sich schon als Kind einer evangelischen Pastorenfamilie häufig mit verschiedensten Religions- und Glaubensfragen auseinandergesetzt hat. Vielen Menschen seien die Gemeinsamkeiten der Religionen kaum bewusst, beschreibt Rauer. Auch in seiner Arbeit als Sozialarbeiter gehe es häufig darum, Brücken zu schlagen, um das gemeinsame Zusammenleben von Kulturen und Religionen zu vereinfachen – oder erst zu ermöglichen. Er erkenne in der auf den Zustand von 1845/46 zurückgesetzten Alten Synagoge auch vieles aus Kirchen und Moscheen wieder. Die Alte Schule und die Mikwe, also das jüdische Ritualbad, stammen ursprünglich aus dem Jahr 1796. Beide Gebäude überdauerten das Pogrom und die darauffolgenden Jahrzehnte als Lager- oder als Wohnräume. Wolfgang Battermann betont, wie besonders es sei, dass hier in Petershagen Geschichte so erlebbar gemacht wird. Bei Führungen werden deshalb nicht nur Vorträge gehalten. Stattdessen sollen die Teilnehmer*innen mithilfe von Arbeitsaufträgen selbst aktiv werden. Anders als in der Schule sollen dadurch jungen Menschen nicht nur Fakten, sondern auch die damalige Stimmung vermittelt werden. Benjamin Rauer zeigte sich begeistert von diesen „historischen Exkursen ins praktische Leben“.
Besorgt sei Herr Battermann angesichts eines Anstieges antisemitischer Vorfälle in Deutschland. Diese häufen sich aktuell besonders im Umfeld der sogenannten „Querdenker“. Viele wüssten vielleicht nicht, was es wirklich bedeutete, einen gelben Stern tragen zu müssen oder „wie Anne Frank eingesperrt“ zu sein. Diese Vergleiche seien inakzeptabel und verzerrten die historischen Fakten. Die Angebote zur Aufklärung seien da, nur würden sie nicht so häufig angenommen, wie es wünschenswert sei. Eins sei für ihn klar: „Wenn der Faschismus erst da ist, hat man verloren“.
Aber wo muss man ansetzen? Die Auseinandersetzung mit dem, was passiert ist muss verbunden werden mit dem Bekenntnis, ein „Nie wieder!“ ernst zu nehmen. Besonders im Alltag dürfen antisemitische Äußerungen im Bekannten- und Verwandtenkreis nicht unkommentiert bleiben, so Rauer. Schulen sollten die Möglichkeit wahrnehmen, Gedenkorte wie diese zu besuchen. Aber auch Bürger*innen sowie Kommunen sind gefragt, beispielsweise wenn es um die Verlegung von Stolpersteinen geht. Manche sträubten sich gar dagegen, vor ihren Häusern an die Jüdinnen und Juden erinnert zu werden, die einst dort gelebt hatten und deportiert wurden.
Im Jubiläumsjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ gibt es besondere Angebote in der Region: Neben der Sonderausstellung „Jüdisch? Preußisch? Oder was?“ im Preußenmuseum Minden zeigt auch das Mindener Museum noch bis zum 27.03.2022 die Wanderausstellung „Synagogen in Deutschland – Eine virtuelle Rekonstruktion“. Neben den alten Synagogen aus den großen deutschen Städten wie Dresden, Hannover oder Nürnberg, kann hier auch die, in der sogenannten Reichspogromnacht von Nationalsozialisten und ihren Anhängern, zerstörte alte Synagoge Mindens und Petershagens digital besichtigt werden.
Unter www.synagoge-petershagen.de können sich Interessierte über die Arbeit des Vereins Arbeitsgemeinschaft Alte Synagoge Petershagen e.V informieren und auch für Führungen anmelden.