Die Folgen der Klimakrise beschäftigen die Bäuerinnen und Bauern seit vielen Jahren. In kaum einen Sektor wirken sich die zunehmenden Wetterextreme so massiv aus wie in der Landwirtschaft. So befasste sich ein Arbeitskreis der Kreistagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN mit den Chancen der Agri-Photovoltaik für die Landwirtschaft. Als Referentin war Prof. Dr. sc.agr. Kerstin Wydra von der Fachhochschule Erfurt geladen. Sie ist Mitautorin der Studie „Potential der AgriPV in Thüringen“.
„Mal ist der Mai zu trocken und zu heiß, mal bedroht plötzlicher Hagel die Ernte. Und genau hier können die Agri-Photovoltaikanlagen helfen. Sie schützen durch ihren Schatten vor zu viel Sonne und Austrocknung oder bremsen Hagelkörner aus. Es gibt weniger Hitzeschäden und die Anbaufläche mit einer AgriPV-Anlage hat eine höhere Bodenfeuchtigkeit. Die Studie zeigte, dass die Gesamtproduktivität, also der Ertrag aus Landwirtschaft und Energieproduktion der Fläche, um mindestens 60 bis 70 Prozent steige, in trockenen Jahren sogar um 90 Prozent, so Cornelia Schmelzer, Kreistagsfraktionsvorsitzende der GRÜNEN in Minden-Lübbecke.
„Unser Forschungsprojekt hat diese Effekte bereits nachgewiesen“, erläuterte die Referentin Prof. Dr.sc.agr. Kerstin Wydra. Bei einer Bewirtschaftung der Fläche mit AgriPV wurden eine höhere Wassernutzungseffiziens und große Einsparung bei der Bewässerung festgestellt. In der Studie wurden sogar höhere Erträge bei Kartoffeln, Weizen und Tomaten in besonders trockenen Gebieten und Flächen nachgewiesen.
„Wir haben in unserer Region viele Sonderkulturen, wie Spargel, Erdbeeren, Himbeeren, Heidelbeeren. Diese eignen sich hervorragend für AgriPV-Anlagen. Das Regenwasser kann dabei gleichzeitig aufgefangen und zur gezielten Bewässerung genutzt werden. Damit kann auch gleichzeitig auf die Verschandelung der Landschaft mit Plastikabdeckungen verzichtet werden“, sagt Cornelia Schmelzer.
Im Vergleich zu Freiflächen-Photovoltaikanlagen müssen AgriPV-Anlagen auf garten- oder landwirtschaftlichen Flächen errichtet werden und erhalten einen besonderen Bonus auf die Vergütung für produziertem Strom. Ein weiterer Vorteil der dezentral angelegten AgriPV-Anlagen liegt darin, dass deren Stromertrag oft zu einem erheblichen Anteil lokal genutzt wird, und der Netzanschluss im Regelfall keinen so starken Netzausbau wie bei anderen Freiflächen benötigt. Es erfolgt eine duale Nutzung mit einer Produktion von Nahrungsmitteln und Solarstrom auf derselben Fläche. Die Stromproduktion einer AgriPV-Anlage, die auf einem Hektar Fläche bis zu gesamt 1.000 kWp-Module platziert, ist mehr als 50-fach größer, als es dort mit dem Anbau von Raps oder Mais gelingt. Solcherlei Feldfrüchte wurden bislang als Energiepflanzen angebaut. Mais z.B. wird nach der Ernte in einer Biogasanlage verfüttert und das so produzierte Biogas anschließend mit einem Motor verstromt.
„Wir wissen alle: Um die Klimaziele zu erreichen, muss der Ausbau der erneuerbaren Energien noch schneller vorankommen. Wir brauchen sechs- bis achtmal so viel Solarenergie, wie wir heute produzieren. Wir begrüßen den Ausbau der Agri-Photovoltaik durch verbesserte Fördersysteme der Bundesregierung. So wird in Deutschland erstmals eine Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz speziell auch für Agri-Photovoltaik-Systeme ermöglicht“, sagt Cornelia Schmelzer, Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN im Kreistag Minden-Lübbecke.
Foto: © Fraunhofer ISE. Die Agri-Photovoltaik-Anlage über Apfelbäumen in Kressbronn am Bodensee.